Pressemitteilung: MIA fordert verbindlichen Opferschutz bei Gewalt im deutschen Sorge- und Umgangsrecht
Berlin, den 23. Juli 2019 – Der Bundesverband MIA – Mütterinitiative für Alleinerziehende zeigt sich erleichtert über das Scheitern des von der erzkonservativen Lega eingebrachten Gesetzesentwurfs zur Reform des italienischen Familienrechts.
Verena Wirwohl, stellvertretende Vorsitzende von MIA, bewertet den Gesetzesentwurf von Pillon in Italien als deutliche Benachteiligung von Frauen: „Mit dieser erzkonservativen Reform sollen Scheidungen und Trennungen für Frauen deutlich erschwert bis verunmöglicht werden, das Sorgerecht soll selbst in Fällen massiver häuslicher Gewalt automatisch an beide Elternteile fallen. Betroffene werden so essentieller Schutzmaßnahmen beraubt.“
Ebenso sah der bisherige Entwurf vor, dass eine Scheidung erst dann möglich ist, wenn vorher verpflichtend eine kostenpflichtige Mediation absolviert wird. Das führe nach Einschätzung der Juristin Wirwohl einerseits dazu, dass Frauen, die oft mit geringeren finanziellen Mitteln ausgestattet sind, eine Scheidung verunmöglicht werde.
Andererseits liefere eine gesetzliche Mediationspflicht Betroffene von häuslicher Gewalt weiterhin dem Täter aus: „Frauen, die all ihren Mut zusammen genommen haben und eine solche Partnerschaft verlassen wollen, werden durch eine Zwangs-Mediation davon abgehalten. Die Angst vor dem Täter lässt sie verstummen und Gewalt weiter aushalten, denn ein geäußerter Trennungswunsch kann betroffene Frauen in Lebensgefahr bringen“, so Wirwohl. „Statistisch belegt ist die Zeit nach der Trennung für betroffene Frauen und ihre Kinder die gefährlichste in ihrem Leben.“
Auch in Deutschland sind Mütter kaum geschützt
Mit Blick auf Deutschland fordert Wirwohl, den Gewaltschutz von Frauen und Kindern nachdrücklich und verlässlich im Familienrecht und in Verfahren an Familiengerichten zu verankern: „Auch in Deutschland erleben täglich zahlreiche Frauen, wie der Gewaltschutz durch Umgangsrechte des Vaters ausgehebelt wird. Vorgetragene erlebte Gewalt gegen die Mutter wird vor Gericht kaum berücksichtigt. Selbst Wechselmodelle werden trotz Gewalt von Gerichten angeordnet. Dabei ist wissenschaftlich belegt, wie sehr auch Kinder durch miterlebte Gewalt traumatisiert werden. Heutige Umgangsregelungen bis hin zum hälftigem Wechselmodell öffnen der kontinuierlichen Gewalt durch Täter und der ständigen Retraumatisierung von Müttern und Kindern Tür und Tor.“
Nach Einschätzung von Wirwohl haben Frauen in Deutschland oft keine Möglichkeit, den gesetzlich verankerten Gewaltschutz gegenüber Ex-Partnern für sich und ihre Kinder gerichtlich durchzusetzen. „Dabei gilt seit Februar 2018 in Deutschland die Istanbul Konvention, die explizit auch Kinder bei miterlebter häuslicher Gewalt (Art. 31 Abs. 1) einschließt. Die Bundesregierung ist dazu seit anderthalb Jahren in Verzug.“
Der als Legge Pillon in Italien eingebrachte Gesetzesentwurf zur Familienrechtsreform scheiterte am 23. Juli 2019 im Justizausschuss. Ein überarbeiteter Gesetzestext soll dem Ausschuss im September zur Beratung vorgelegt werden. Der Gesetzesentwurf von Pillon hatte in den vergangenen Monaten zu landesweiten Protesten von tausenden italienischen Frauen geführt.