Nach der Trennung aus einer Gewaltbeziehung beginnt die statistisch gefährlichste Zeit im Leben einer Frau. Doch selbst Väter, die in der Vergangenheit ihre Kinder und (Ex-)Partnerinnen angegriffen oder bedroht haben, bekommen von FamilienrichterInnen das Recht eingeräumt, Umgang mit ihren Kindern zu haben. Dabei kommt es teils zu drastischen Übergriffen auf die ehemaligen Partnerinnen. Oft richtet sich die Gewalt ebenso gegen die Kinder. Das Schlimme: Es sind keine seltenen Ausnahmefälle. Und: Sie passieren in allen sozialen Schichten.
Foto: © PR Weltkino Filmverleih
Einen gar nicht untypischen Fall skizziert nun der französische Regisseur Xavier Legrand in seinem aktuellen Film „Nach dem Urteil“ (seit dem 23. August im Kino). Legrand erzählt darin in erschreckender Normalität von einer Mutter, die ihren gewalttätigen Ehemann verlassen hat. Nachdem das Gericht entschied, dass der gemeinsame Sohn jedes zweite Wochenende bei seinem Vater verbringen muss, wird der Junge zum Instrument des Vaters. Er versucht sich seiner Ex-Frau gegen ihren Willen in bedrohlicher Art und Weise wieder anzunähern. Legrand zeigt diesen Fall erschreckend realistisch, ohne Effekthascherei. Er veranschaulicht auf diese Weise vielen Nicht-Betroffen die Binnenperspektive solcher Familien, denen gern das Label hochstrittig aufgeklebt wird, ohne zu fragen, woher der Zustand denn kommt.
MIA lädt daher die deutschen FamilienrichterInnen herzlich ein, sich den Film „Nach dem Urteil“ anzuschauen – und übernimmt die Kosten der Eintrittskarte.
Anschließend bietet MIA an, miteinander ins Gespräch zu kommen. Interessierte können sich per Mail an kino at die-mias.de direkt an die MIA – Mütterinitiative für Alleinerziehende e.V. i.G. wenden.
Hintergrund:
Dass Umgangsrechte Gewaltschutz aushebeln, gehört zum Alltag an deutschen Familiengerichten
Häusliche Gewalt richtet sich in über 80 Prozent gegen Frauen – und endet im Trennungskontext nicht selten im Tod. Viele Nachtrennungs-Todesfälle werden erst gar nicht von den Medien aufgegriffen – oder durch Begriffe wie „Familientragödie“ oder „Trennungsdrama“ verharmlost.
Dass Umgangsrechte Gewaltschutz aushebeln, gehört zum Alltag an deutschen Familiengerichten. Denn das Recht des Vaters auf Umgang mit seinem Kind besteht selbst dann, wenn Frauen mitsamt Nachwuchs vor ihrem gewalttätigen Partner ins Frauenhaus fliehen oder gar im Krankenhaus landen. Denn seit der deutschen Familienrechtsreform aus dem Jahr 2009 wird das Umgangsrecht eines Vaters nur noch selten davon beeinflusst, ob er sich in strafrechtlich relevanter Weise verhalten hat. Vielmehr tendieren Jugendämter und Gerichte dazu, die Erziehungskompetenzen eines Vaters trotz seines nachweislich gewalttätigen Verhaltens nicht in Frage zu stellen. Auf der anderen Seite wird Müttern hingegen teils absurd schnell die Erziehungsfähigkeit per Ferndiagnose abgesprochen. Für die überwiegende Mehrheit der Opfer drohen nach einer Trennung neue Übergriffe – die oftmals während der Umgangssituation oder bei der Übergabe des Kindes stattfinden.
Selbst, wenn keine körperliche Gewalt droht, sind deren Androhung, Stalking oder psychische Gewalt in Nachtrennungsfamilien viel weniger selten als oft vermutet wird. „Nach dem Urteil“ stellt dies in besonders anschaulicher und realistischer Weise dar.