#CareCounts: Wie die Gesellschaft mit Carearbeit einseitig Frauen belastet

Unsere Gesellschaft erlegt bis heute den Frauen nahezu alleine die Risiken von privater Carearbeit auf: Sie alleine bezahlen im bestehenden System den Preis – entweder mit Armut oder mit ihrer Gesundheit. Männer werden an diesen Risiken bis heute überhaupt nicht verpflichtend beteiligt, obwohl sie davon genauso profitieren: Ohne Care keine Gesellschaft, keine Wirtschaft, kein Wohlstand. Eine Gesellschaft ohne Care bricht zusammen. Doch eine Gesellschaft, die die Lasten von Care Frauen ohne Gegenleistung aufbürdet, nutzt die Hälfte der Bevölkerung aus. Das ist ein Skandal.

CareCounts
Grafik: MIA e.V. i.G.

Gratis Carearbeit: Ein Unternehmen wäre längst pleite

Entweder man verpflichtet Männer zu gleichem Anteil an zu leistender Carearbeit, und zwar nicht nur in der Elternzeit, sondern deutlich darüber hinaus. Das ist aber zu starr und einseitig. Besser: man beteiligt alle gesamtgesellschaftlich an den Kosten eben dieser. Bisher bleibt diese Rechnung dauerhaft unbezahlt, kurz: sie wird geprellt – und niemand muss sich dafür verantworten. Auf den Finanzlöchern bleiben Frauen als Gläubiger alleine sitzen, sie müssen es als Minus in ihrem Konto verbuchen und mit ihrer Armut – bei Trennung und im Alter – alleine zurechtkommen. Zum Vergleich: Ein Unternehmen, dessen Ausgaben (durch Leistung) die Einnahmen derart eklatant übersteigen, wäre binnen kürzester Zeit pleite. Unsere kapitalistische Gesellschaft mutet Frauen aber genau das zu.

Mögliche Lösungen?

  • Wir brauchen Wahlfreiheit: Frauen wie Männer sollen selbst wählen dürfen, ob sie Voll- oder Teilzeit arbeiten, weil sie z.B. kleine Kinder haben oder Angehörige pflegen – ohne Armutsrisiko. Das gelingt nur, wenn Carearbeit aufgewertet und als das benannt wird, was sie ist: Arbeit. Und diese muss vergütet werden.

Carearbeit muss sichtbar werden
Grafik: MIA e.V. i.G.

  • Die Vergütung der Carearbeit muss im Jetzt und in der Rente erfolgen. Erst, wenn in Carearbeit nicht mehr die Armuts-Garantie eingepreist ist, sind Menschen, Frauen wie Männer, unabhängig und frei in ihrer Wahl, Familie genau so zu leben, wie es ihren tatsächlichen individuellen Bedürfnissen je Lebensphase entspricht.
  • Nur durch Aufwertung von Carearbeit als gleichwertige Arbeit wird sie zu einem gleichberechtigten Baustein neben Erwerbsarbeit im Lebenslauf, den dann Frauen wie Männer phasenweise frei wählen können.
  • Gleichwertig vergütete Carearbeit macht Frauen endlich unabhängig vom Einkommen ihrer Männer, um tatsächlich selbstbestimmt Entscheidungen treffen zu können – eines der Kernanliegen des Feminismus! Bis heute aber verharren Frauen häufig in unglücklichen, schlimmen, teils gewaltvollen Ehen oder Beziehungen auch aus Angst vor dem Abgrund der Trennungsarmut. Damit muss Schluss sein!
  • Ohne gleichwertig bezahlte Carearbeit bewegen sich die meisten Männer nicht. Ihre Angst vor Einbußen ist viel zu hoch. Das belegen diverse Statistiken zum Elterngeld. Gleichwertig vergütete Carearbeit motiviert ggf. auch Männer stärker, mehr Carearbeit selbst zu übernehmen als bisher, wenn sie kaum finanzielle Einbußen fürchten müssen. Bis jetzt überlassen sie die damit verbundene Armuts-Garantie bereitwillig ihren Partnerinnen, vgl. z.B. die Statistik zu Vätern in Elternzeit von destatis/BMFSFJ 2019: nur 5 Prozent aller Jungväter nahmen in 2018 neun oder mehr Monate stay-at-home-Elternzeit.
  • Eine ökonomische und damit gesellschaftliche Aufwertung von Carearbeit könnte das komplette System neu sortieren. Die Verengung auf Karriere (=erwerbsorientiert) wird unwichtiger, stattdessen wird es normal, dass Menschen auch längere Phasen im Leben nicht an der Karriere feilen, weil diese nicht mehr so existenziell wichtig ist. Es wird deutlich akzeptierter sein, dass Frauen wie Männer ein paar Jahre aussteigen bzw. reduzieren. Solche Entscheidungen werden dann beruflich nicht mehr so hart bestraft wie heute. Das ist jedoch nur möglich, wenn alle diese Möglichkeit haben und nutzen können. Bisher ist das nicht der Fall. Das derzeitige System manifestiert entlang der Geschlechtergrenzen vor allem die Unfreiheit und Abhängigkeit von Frauen.

Den Werkzeugkoffer mit Ideen, um das umzusetzen, gibt es bereits: Kindergrundsicherung, BGE oder Caregehalt, deutlich mehr Rentenpunkte für Carephasen, Familiensplitting statt Ehegattensplitting, die 30 bis 32-Stunden-Woche als Vollzeit statt der bisherigen 40. Mit mehreren dieser aufeinander abgestimmten Elemente kann die Wahlfreiheit, Unabhängigkeit und damit Gleichstellung erreicht werden. Es ist höchste Zeit, dass die Politik sich bewegt und endlich handelt.