Absurdistan I: Familiengericht und angeordnete Elternberatung

Gastbeitrag einer Elternberatung-erfahrenen Mutter

1. Teil

Hier werden Sie geholfen – oder: Willkommen im Absurdistan der Elternberatung 

Sie haben Schwierigkeiten oder gar Probleme mit dem ExPartner? Dem Vater Ihrer gemeinsamen Kinder? Kommen Sie zu uns! Wir haben auch keine Lösung. Kommen Sie trotzdem.

So ungefähr stelle ich mir eine Werbebotschaft für die bunten Hilfeangebote, die streitende Eltern besuchen können oder beauflagt besuchen müssen, wenn das Familiengericht nicht weiter weiß, sich nicht klar positionieren will oder schlicht mit Zeit-schinden versucht, den einen oder beide Parteien zu zermürben.

Es gibt zahlreiche Varianten. Beliebt ist die Elternberatung, mal jeweils jede Partei allein, mal gleich gemeinsam.

 

Mediation, Kurse, Clearing

Das Clearing klingt nach mehr als es ist, zumindest wird hier einigermaßen genau hingeschaut und das komplette Familien-System betrachtet. Ziel ist es, die passende Hilfe herauszufinden. Das heißt natürlich im logischen Umkehrschluss, das Jugendamt hat ein Problem erkannt. Oder meint ein Problem erkannt zu haben. Das Clearing ist der Fuß des Jugendamtes in der elterlichen Tür. Damit sind sie „drin“.  In der Regel kommt im Clearing zu jedem Elternteil ein Mitarbeiter ins Haus und beobachtet. Das kann ganz neu dem Jugendamt bekannt gewordene Familien betreffen oder Familien, in denen niemandem mehr was Besseres einfällt. „Ziel einer neuen Standortbestimmung“ heißt das dann gerne. Am Ende gibt es einen Bericht, was man so beobachtet habe.Dieser geht in der Regel zu Gericht und dann wird eben entschieden, was man nun tut. Konflikte lösen sich durch Clearing nämlich auch nicht.

Die Elternberatung ist sehr beliebt. Vorab sei all jenen, denen das blüht gesagt, es gibt keinen Zwang, dies zu tun. Das OLG Brandenburg hat in seinem Beschluss vom 21.10.2013 (13 UF 195/13) klargestellt, dass es für eine solche Anordnung keinerlei Rechtsgrundlage gibt. Die Elternberatung findet bei einem Träger der Jugendhilfe statt. Die Unterschiede sind gewaltig. Es ist schier unmöglich zu sagen, welcher Träger besser oder schlechter als der andere ist. Mutter und Vater werden also in der Beratung bearbeitet. Entweder sind 2 geschlechtsgemischte Therapeuten die Berater oder nur einer jeweils. Meist eine Beraterin für den Vater und ein Berater für die Mutter. Inhaltlich laufen Beratungen unterschiedlich ab. Einige Berater versuchen den Wust des Konfliktes zu entwirren, einige arbeiten am Zeitstrahl die ganze Geschichte der Trennung auf. Vielfach ist es aber im Grunde wie stille Post. Der Vater fragt seinen Berater in seiner Beratung eine Frage. Der Berater fragt des Vaters Frage in der MutterBeratung die Mutter. Die Mutter gibt die Antwort auf die Frage des Vaters an den Berater. Der Berater wiederrum gibt die Antwort der Mutter auf die Frage des Vaters schließlich an den Vater weiter. Und dann? Na ja, und dann geht die Schleife von vorne los. Das ist wie ein Gespräch in Zeitlupe. Die Paralympics der Kommunikationsbehinderten. Das Ganze gibt es noch in einer sportlichen Variante. Wieso sportlich? Der Berater rennt zwischen den Eltern, die gleichzeitig in getrennten Räumen sitzen hin und her. Pendel-Mediation nennt sich das dann. Das Pendel ist der Berater. Eine Stunde ist der normale Zeitrahmen für eine Beratung. Mit Rennen und ohne Rennen. Ein Raum mit Drehtür wäre vielleicht ganz gut. Oder ist das dann „Dreh“-Mediation?

 

Exzessive Beratung – Erfolg null

Die streitenden Eltern werden in der Regel exzessiv beraten. Nicht wenige hochstrittige Eltern durchlaufen den Beratungsprozess mehrfach bei verschiedenen Trägern. Bis auch dieser Träger dann feststellt, dass man so nicht weiterkommt. Man darf unabhängig von der Beratungsqualität und Passgenauigkeit der Beratungsstrategie nicht vergessen, dass die Eltern in den Gesprächen keineswegs frei von der Leber weg sprechen können. Gerade wenn die Beratung gerichtlich angeordnet wurde, gibt es am Ende einen Bericht. Logisch, dass sich beide Eltern im besten Licht zeigen. Auch hochstrittige Eltern haben eine Lernkurve. Mit jeder Beratung werden auch die Eltern professioneller. Wissen was „gut ankommt“ und was taktisch klug ist. Ähnlich wie Prüfungen werden die Beratungen absolviert. Für den schwelenden Konflikt ist der Nutzen gleich null.

Im Austausch mit betroffenen Mütten sind uns nur wenige Rückmeldungen bekannt geworden, in denen die Beratungen zu einer marginalen Verbesserung des Konfliktes geführt haben, eine Beilegung der Konflikte durch Beratung ist uns nicht bekannt. Das ist nicht weiter überraschend, Fichtner hat in seiner Studie „Kinderschutz bei hochstrittiger Elternschaft“ (2010 erschienen beim Deutschen Jugendinstitut e.V.) eruiert, dass gerade hochstrittige Eltern, mit denen wir es primär zu tun haben, angeordnete Beratungen zu 50% als wenig hilfreich und zu 10% gar als kontraproduktiv einschätzen. Es lässt sich allerdings sagen, dass Einzelinterventionen als sinnvoller eingestuft werden, als gemeinsame Beratungen. Diese Einschätzung teile ich, denn zwangsweise gemeinsame Gespräche, die am Ende auch noch bewertet werden und damit für den nächsten Verfahrensgang relevant sind, können nicht funktionieren, beide Parteien schleichen Bindungstoleranz demonstrierend um den metaphorischen Honigtopf.

 

Elternberatung kann so nicht funktionieren

Man stelle sich folgende Konstellation vor: Der Kindsvater hat das Sorgerecht allein und möchte keinerlei Umgang mehr gewähren. Die Mutter möchte gern mehr Umgang haben. Die Kommunikation ist komplett abgebrochen.

Nun wird vom Familiengericht gesagt, mehr Umgang bekommt die Mutter nur, wenn die Kommunikation wieder läuft und ordnet gemeinsame Gespräche an, die ein Träger moderiert. Was nun passiert, ist klar wie Kloßbrühe. Die Mutter, für die mehr Kommunikation essenziell ist, um mehr Umgang zu bekommen, ist maximal auf die Sitzungen vorbereitet und prescht voran. Der Vater, für dessen Ziel es wichtig ist, dass die Gespräche scheitern, bereitet nichts vor und lehnt absolut alles, was die Mutter zur Verbesserung vorschlägt, kategorisch ab, versucht zusätzlich mit allerhand Unterstellungen zu provozieren, damit die massiv unter Druck stehende Mutter sich im Ton vergreifen möge. Hier wäre eigentlich der Träger der Beratung als fachlich sachkundige Instanz gefordert einzugreifen. Denn das geht zu Lasten des Kindes. Fakt ist: in einer solchen Konstellation kann es nur zu einer Kommunikation kommen, wenn der Träger klar von der blockierenden Partei Mitarbeit fordert und wenn diese verweigert wird, die Beratungsgespräche schlicht abbricht und das faktentreu an die Gerichtsbarkeit weitergibt.

Nun könnte man schlussfolgern, dass jemand der, den anderen Elternteil massiv ausschließt, nicht geeignet ist das Sorgerecht auszuüben, denn das Gesetz fordert ja beide Eltern auf […]alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt […] (§1684 (2)). Leider zeigt der Austausch Betroffener, dass Mütter, die eine solche Strategie verfolgen bzw. die Unterstellung dies zu tun zumeist schon reicht, schnell bestraft zu werden und mindestens Teilbereiche des Sorgerechtes verlieren. Vätern, die eine solche Strategie fahren, selbst wenn es deutlich sichtbar ist, wird seitens der Institutionen im Familienrecht eine Engelsgeduld entgegengebracht. Wir erleben immer wieder, dass Väter massiv gegen die Mutter agieren, häufig mit absurden und völlig inadäquaten Auswüchsen. Dennoch wird hier in der Regel nicht eingegriffen. Die Mechanismen dahinter lassen sich z.B. im Gastbeitrag von Evi Lamert oder auch bei den Störenfriedas nachlesen. Gleich und gleich sind im Familienrecht noch lange nicht gleich.

 

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