Warum wir endlich einen Feminismus brauchen, der Mutterschaft und Carearbeit ernst nimmt
Heute vor 40 Jahren beschloss die UN-Generalversammlung die weltweit gültigen Frauenrechte in der UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW). Sie besagt, dass Frauen genauso, wie Männer das ganz selbstverständlich tun, selbstbestimmt und gleichberechtigt leben können sollen. Vieles hat sich seitdem zum Positiven für Frauen entwickelt. Doch wir erleben insbesondere ggü. Müttern immer noch bzw. wieder zunehmende zusätzliche und vielfältige Diskriminierung, weil sie Mütter sind. Der unter dem Begriff Backlash firmierende, steigende Druck auf Frauen- und Mütterrechte durch rechte, maskulinistisch geprägte Gesellschaftsgruppen zeichnet sich nicht erst seit ein paar Jahren ab. Unter dem Deckmantel angeblicher Gleichberechtigung werden Mütter seit Jahren zunehmend diskriminiert und unter Druck gesetzt: Allein die bundesdeutsche Gesetzgebung seit 1998 im Bereich Kindschaftsrecht weiß eindrücklich davon zu berichten.
Bundespolitik: Seit 20 Jahren Rolle-rückwärts
Die einst von Feministinnen in den 70ern hart erkämpfte Unabhängigkeit der Mutter von ihrem Ex-Mann wird seither peu à peu rückabgewickelt, die Frau Reformschritt für Reformschritt wieder ihrem Expartner ausgeliefert und von ihm und seinem Goodwill abhängig gemacht – immer mit dem Verweis auf angebliche Gleichberechtigung. Diese Lesart ignoriert bis heute vollständig die negativen gleichstellungspolitischen Folgen. In diese Überlegungen floss und fließt bis heute nirgends ein, wie stark insbesondere Mütter ökonomisch benachteiligt sind, obwohl wir dafür zig Begriffe kennen: Gender Pay Gap, Gender Pension Gap, Gender Care Gap, Child Penalties – um nur ein paar zu nennen. Ursache der ökonomischen Diskriminierung von Müttern sind oft struktureller und kapitalistischer Natur. Mutterschaft aber steht kapitalistischen, neoliberalen Bestrebungen entgegen. Also wird Mutterschaft ökonomisch bestraft und gesellschaftlich abgewertet. Diesen Konflikt löst man nicht, indem man als Staat versucht, Mütter, die das nicht wollen, trotzdem in Vollzeiterwerbstätigkeiten zu zwängen und ihre Kleinstkinder in Vollzeitkitas. Die Gleichberechtigungsbestrebungen am Arbeitsmarkt im Kontext Frauenrechte mögen kinderlosen Frauen entgegenkommen. Die Bedürfnisse von Müttern vor allem mit kleinen Kindern ignoriert das. Ein Vollzeitjob mag etwas in der Rente helfen (in typischen „Frauenjobs“ aber nur wenig), jedoch nicht den Familien in der Vereinbarkeitslüge und schon gar nicht Müttern, die sich trennen. Denn dann schlägt die volle Armuts-Wucht erst richtig zu (oft trotz Vollzeit!).
Ehegattensplitting & Geringschätzung von Carearbeit sind nicht das Ende, sondern der Anfang der Mütter-Diskriminierung
Die Diskriminierung von Müttern endet nicht mit dem Ehegattensplitting oder der permanenten gesellschaftlichen Geringschätzung und Abwertung der überwiegend von Müttern geleisteten gratis Carearbeit und ihrer ökonomischen Bestrafung dafür. Im Gegenteil, sie geht nach einer Trennung erst richtig los: Nicht nur die ökonomische Geringschätzung der Mutter tritt dann deutlich zutage. Frauen, die sich von gewalttätigen Partnern trennen, werden nicht ernst genommen – 87% der Verfahren wegen Gewalttaten gegen Frauen werden in Berlin eingestellt – oft „aus mangelndem öffentlichen Interesse“. Vor dem Familiengericht werden Mütter gezwungen, sich mit gewalttätigen Expartnern „friedlich einigen“ zu müssen. Und wenn sie das – wegen der erlebten Gewalt – nicht können, wird ebendas ihnen zum Vorwurf gemacht – das geht bis hin zum Sorgerechtsentzug als Bestrafung für ihr „unkooperatives“ Verhalten.
Frauen werden als Mütter doppelt, als Alleinerziehende dreifach benachteiligt
Unterm Strich heißt das: Nicht nur Frauen werden bisher weiterhin benachteiligt, sondern erst recht, sobald sie Mütter sind. Doppelt und dreifach trifft es sie, wenn sie auf die verrückte, selbstbestimmte Idee kommen, sich vom Vater ihres Kindes zu trennen. Dieses Maß an Selbstbestimmung gestehen unsere geltenden Gesetze, unsere Gesellschaft Müttern bisher nicht zu. Stattdessen werden sie im Konfliktfall mit ihren Kindern dem Willen der Väter untergeordnet. Mehr Patriarchat geht nicht. Und das in 2019. Wo sind die Frauenrechte für Mütter? Wo ist der Feminismus, der für Frauen auch als Mütter mit ihren spezifischen Belangen und Schutzbedürfnissen vor Diskriminierung kämpft?
Die CEDAW-Konvention im Wortlaut findest Du zum Nachlesen hier: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/menschenrechtsinstrumente/vereinte-nationen/menschenrechtsabkommen/frauenrechtskonvention-cedaw/