Die PAS-Lüge rennt weiter

Aufklärung tut Not: Das „elterliche Entfremdungs-Syndrom“ existiert nicht

Bereits im vergangenen Jahr haben wir hier analysiert, weshalb die angebliche Aufnahme des pseudowissenschaftlichen „Parental Alienation (Syndrome)“ (PAS), also die „elterliche Entfremdung“, in die ICD-11 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Fake News sind. Die ICD ist die weltweit gültige Diagnoseschlüssel-Liste der WHO zu sämtlichen Erkrankungen und weiteren Phänomenen im Gesundheitssektor, die in regelmäßigen Intervallen aktualisiert wird.

Dennoch wird die PAS-Lobby nicht müde, wieder und wieder ebendas zu behaupten und dieses gefährliche, unwissenschaftliche Stück Junk Science weiterzuverbreiten. Inzwischen wurde sogar ein Panik schürender, einseitiger Lobby-Spielfilm produziert, ausschließlich beraten durch Väter-Aktivisten, im Namen und mit Geldern des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Das verdeutlicht gut, wer da Zeit, Geld und Netzwerke hat, um seine Fake News zu verbreiten. Man darf sich durchaus die Frage stellen, woher diese ungeheure Energie kommt, wissenschaftlich klar erwiesene Lügenkonzepte unbedingt weiterhin verbreiten zu wollen. Cui bono? (Wir müssen Sie enttäuschen: garantiert nicht den Kindern.)

Im Mai 2019 wurde die final beschlossene ICD-11 publiziert. Das Netz und die Mailboxen der Redaktionen wurden mit der Falschbehauptung durch die PAS-Aktivisten geflutet, dieses angebliche psychiatrische Syndrom (wahlweise auch „Disorder“) sei nun eine anerkannte Diagnose. Nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten westlichen Hemisphäre.

Daher sahen sich zahlreiche Wissenschaftler und Organisationen aus 36 Ländern im Sommer 2019 gezwungen, auf diese neuerliche Fake News-Welle zu reagieren und eine öffentliche, ausführliche Erklärung an die WHO abzugeben, in der sie nochmals sämtliche wissenschaftlichen Nachweise zusammenstellten, dass diese Pseudo-Diagnose keinerlei diagnostische, klinische oder überhaupt wissenschaftliche Basis hat. Schließlich publizierten Prof. Dr. Maurice Berger, Kinderpsychiater aus Lyon, und Dr. Eugenie Izard, Kinderpsychiaterin aus Toulouse, den folgenden Artikel in der Revue Francophone de la Victimologie, einer französischen Fachzeitschrift für Opferforschung.
Diesen Artikel dürfen wir mit ihrer freundlichen Genemigung auf deutsch übersetzt hier einstellen. (Für die Übersetzung übernimmt MIA keine Gewähr.)

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Fake News über die angebliche „offizielle Anerkennung des Parental Alienation“

Dr. Maurice Berger
Dr. Eugenie Izard

Die PAS-Lobby ist nicht erfolgreich.

Entgegen der jüngsten Erklärung des ACALPA-Verbandes (Association Contre L’Aliénation Parentale) vom 29. Mai 2019 hat die WHO (Weltgesundheitsorganisation) keine Änderung ihrer Nomenklatur oder Anerkennung des sogenannten „Parental Alienation Syndrome“ vorgenommen. (Solche Erklärungen gab es in Deutschland ebenfalls, Anm. MIA)

Tatsächlich taucht in der neuen Internationalen Klassifikation der Krankheiten, bekannt als ICD 11, der Begriff „elterliche Entfremdung“ nicht in der Liste der psychischen Erkrankungen auf, sondern im Abschnitt „Erweiterungscodes“, in dem es heißt, dass „sie niemals zuerst zur Definition einer Störung verwendet werden dürfen“ [1]. (Das ist richtig!). Die WHO gibt sogar an, dass der alphabetische Index eine Liste von 120.000 klinischen Begriffen (einschließlich Synonymen oder Ausdrücken) ist und dass „die Erwähnung eines Begriffs im Index keine Anerkennung oder Bestätigung einer bestimmten Situation bedeutet [2]“. Das ist wieder richtig!

Darüber hinaus wird der Begriff in diesen Erweiterungscodes als „Problem der Betreuer- und Kindbeziehung“ bezeichnet, ohne dass dieses Problem definiert wird… aus dem mehr als wahrscheinlichen Grund, dass der Begriff „elterliche Entfremdung“ keinen anerkannten wissenschaftlichen und empirischen Daten entspricht.

Die von den Fachleuten vertretene Position, dass der Begriff „elterliche Entfremdung“ mangels wissenschaftlicher Grundlage nicht in das DSM 5 aufgenommen werden sollte, ist daher weiterhin relevant.

Im Juli 2019 unterzeichneten schließlich 339 Experten und Berufsverbände aus 36 Ländern einen Text mit Referenzen aus der wissenschaftlichen Literatur, der den Mangel an wissenschaftlichen Daten, der diesem Konzept zugrunde liegt, und seine Gefährlichkeit aufzeigte [3].

Rückblick

Wie Eugénie IZARD (Izard, 2018) betont: „Entfremdung ist ein Begriff, der in seiner derzeitigen Verwendung viel zu vage ist, um ihn bei Auswertungen differenzieren zu können. Die elterliche Entfremdung kann sich auf viele Phänomene beziehen, die in ihrer Schwere und ihren Folgen für die psychologische Entwicklung des Kindes sehr unterschiedlich und nicht vergleichbar sind“.

In Wirklichkeit wird dieser Begriff evtl. verwendet, um zu beschreiben:

Das Parental Alienation Syndrome (PAS), definiert von Gardner in den 1980er Jahren:

Gardner definierte dieses Syndrom als „Gehirnwäsche“, von der er behauptet, dass sie in 90% der Sorgerechtsstreitigkeiten (BERGER, PHELIP, 2012) von Müttern angewendet würde, die (angeblich) falsche Anschuldigungen wegen sexueller Gewalt erhöben, um sich zu rächen und die Vater-Kind-Beziehung zu unterbinden. Gardner hat zudem zahlreiche pro-pädophile Artikel veröffentlicht. Er tötete sich schließlich selbst, indem er sich erstach.

Seine Theorie basiert auf der falschen Behauptung ohne objektive Beweise, dass fast alle Behauptungen über sexuellen Missbrauch gelogen seien, obwohl tatsächlich alle internationalen Studien zeigen, dass nur 3% dieser Vorwürfe falsch sind. Infolgedessen werden schützende Mütter beschuldigt, ihre Kinder zu manipulieren, wenn sie Behauptungen über sexuellen Missbrauch melden, die sehr oft an die Täter weitergegeben werden.

Wenn sich ein Kind mit einem Elternteil verbündet und den anderen ablehnt:

Jedoch ist das Phänomen der Allianzen und Misallianzen konstitutiv für alle menschlichen Beziehungen, es ist etwas Normales, und keine Beziehung ist jemals gleichwertig mit einer anderen, außer im Ideal der vollkommenen Gleichheit und Symmetrie der Paranoia. Selbst in einer vereinten Familie sind Kinder manchmal näher an einem Elternteil als an einem anderen und umgekehrt. Dieses Phänomen kann zum Zeitpunkt der Trennung weiter verstärkt werden, ohne notwendigerweise eine Pathologie darzustellen [4].

Elterliche Konflikte:

Während einer Trennung (und der daraus resultierenden Kritik an einem Elternteil gegenüber dem anderen) werden sie oft fälschlicherweise als entfremdendes Verhalten angesehen. Die Prozesse, die in einem intensiven Konflikt ablaufen, unterscheiden sich jedoch deutlich von der „Entfremdung“ im Sinne von Kontrollverhalten.

Gehirnwäscheprozesse mit Parteinahme, die extrem schwere Krankheiten sind:

Sie entsprechen den Beziehungsmodi, die man bei Perversion oder Paranoia findet, mit Mechanismen, um den anderen zu kontrollieren. Das Kind wird zum bewaffneten Arm der elterlichen Pervertierung oder des elterlichen Wahns, der dann zu einer Art doppeltem Wahn wird. Die einzige Möglichkeit, diesen Kontrollwahn festzustellen, ist eine gründliche psychiatrische Untersuchung der Persönlickeit des Verursachers sowie des Phänomens der Wahnbelastung, welches sie erzeugt hat [5].

Mit anderen Worten eine Diagnostik, die viel psychopathologisches und psychiatrisches Wissen, viel Erfahrung mit Paranoia, in Kinderpsychiatrie, Viktimologie und vor allem in den Phänomenen Kontrollverhalten, Gewalt und sexueller Gewalt erfordert. Daher sollten nur erfahrene Psychiater oder Psychologen verpflichtet werden, um solche Diagnosen zu stellen. Unter keinen Umständen billigen wir als Fachleute, dass solche Pathologien von Militanten beschrieben und propagiert werden dürfen, die in manchen Aspekten an eine illegale Ausübung der Medizin grenzen.

Wie zahlreiche Studien gezeigt haben (Meier, 2013; Sielberg, 2013) [6] und die klinische Praxis von Fachleuten, die mit missbrauchten Kindern arbeiten:

Das Konzept der elterlichen Entfremdung mit unscharfen, unverständlichen Konturen, das zudem keine wissenschaftliche Gültigkeit hat, die es erlauben würde, es als Diagnose zu verwenden, behindert den Schutz missbrauchter Kinder erheblich. Seine Verwendung kann dazu führen, dass das Sorgerecht für ein Kind durch den missbrauchenden Elternteil ausgeübt wird.

Aus all diesen Gründen:

Wir verteidigen die Tatsache, dass der Begriff Kontrollverhalten und möglicherweise paranoider Wahn und/oder Perversion weiterhin unsere psychopathologischen Referenzen sein müssen, um die schwerwiegenden Phänomene zu beschreiben, denen wir begegnen, und wir fordern, dass der Begriff Entfremdung nicht mehr verwendet wird, um Vermischungen zu vermeiden, die zu schrecklichen Fehlern führen.

photo credit: janko ferlic / unsplash

Bibliographie:

Izard, Eugénie. (2018) Syndrome d’aliénation parentale ? Présentation à la formation continue de l’ENM

Kaës, R. (2013). Un singulier pluriel, la psychanalyse à l’épreuve du groupe. Paris : Dunod.

Meier, J. (2013, September). Parental Alienation Syndrome and Parental Alienation – A Research Review. Abrufbar über https://vawnet.org/sites/default/files/materials/files/2016-09/AR_PASUpdate.pdf

Phelip, J., Berger, M. (2012). Divorce, séparation, les enfants sont ils protégés? Paris : Dunod.

Sielberg , J. (2013 ). Crisis in Family Court: Lessons From Turned Around Cases. Final Report submitted to the Office of Violence Against Women, Department of Justice. https://irp-cdn.multiscreensite.com/0dab915e/files/uploaded/crisis-fam-court-lessons-turned-around-cases.pdf

[1] https://icd.who.int/browse11/l-m/en#/http%3a%2f%2fid.who.int%2ficd%2fentity%2f979408586

[2] https://icd.who.int/icd11refguide/en/index.html#2.09Vol3index|index|c2-9

[3] http://www.learningtoendabuse.ca/collective-memo-of-concern-to-WHO-about-parental-alienation.html

[4] Es sei darauf hingewiesen, dass es für angelsächsische Forscher wie Johnston und Kelly einen Unterschied zwischen dem von Gardner beschriebenen und völlig widerlegten PAS und der „elterlichen Entfremdung“ mit elterlicher Ablehnung aus mehreren Gründen gibt, die eine konsequente familiäre Erforschung des allgemeinen elterlichen Verhaltens des Kindes und der eigenen Schwachstellen erfordern.

[5] Für René Kaës (2013), einen renommierten Psychologen in der Familienpsychologie, bezieht sich Entfremdung auf „die Aufgabe oder Opferung eines Teils von sich selbst zugunsten der Macht eines anderen inneren oder äußeren Teils (Instanz, Person, Idee….)“. Dieser Begriff beinhaltet also ein Verhältnis von Macht, Herrschaft und Unterwerfung, das ihn dem Begriff der Kontrolle näher bringt.

[6 ]https://reppea.wordpress.com/les-documents-de-references-sur-le-sap/