Sehr geehrter Christoph Schäfer,
in Ihrem Artikel „Kampf ums Kind“ in der FAS vom 27. Mai 2018 schildern Sie ein Treffen der Selbsthilfegruppe eines Väterrechtsverbandes. An diesem spielen sich von ihnen geschilderte herzzerreißende Szenen ab. Die Väter werden dort von ihren Kindern als „Arschloch“ oder „Verräter“ beschimpft. Töchter und Söhne verweigern, aufgestachelt von der durch die Trennung gedemütigten Mutter, grundlos den Kontakt zum Vater. Diese werde erst dann im Sinne der gemeinsamen Elternschaft aktiv, wenn das Tauschgeschäft „Geld gegen Umgang“ am Horizont aufblitzt.
Da müssen wir von MIA erstmal tief durchatmen.
Als Interessenvertretung von weiblichen Alleinerziehenden sind wir seit Jahren nah dran an der Beratung von Frauen, die sich nach der Trennung immer öfters in unerbittlichen Sorge- und Umgangsprozessen durch ihre Ex-Partner verwickelt sehen. Und machen dabei grundlegend andere Erfahrungen, als ihre aus dem Stadtteilladen in Moabit.
So ist uns zum einen für unsere Juristinnen der von Ihnen beobachtete mütterliche Usus, Väter durch Umgangsverweigerung zu „erpressen“ aus rechtlicher Sicht nur schwer nachvollziehbar. „Aber das dauert natürlich, da gehen die Schriftsätze dann erstmal hin und her“, berichtet die von Ihnen zitierte Frankfurter Rechtsanwältin Elisabeth Koch aus dem Alltag der Familiengerichte. Seit der Familienrechtsnovellierung aus dem Jahr 2009 müssen Eltern aber spätestens einen Monat nach ihrem Antrag auf Sorge- oder Umgangsrechte vor dem Familiengericht gehört werden. Das nennt sich übrigens „beschleunigtes Verfahren“ oder auch „Berliner Modell“. Dabei sollen Richter möglichst schon eine erste Entscheidung treffen. Das treibt bisweilen kuriose Blüten: Vor der Reform war bei häuslicher Gewalt die befristete Aussetzung des Umgangs die Regel. Nun wird das Umgangsrecht eines Vaters nur noch selten davon beeinflusst, ob er sich gegenüber der Mutter seiner Kinder strafrechtlich relevant verhalten hat. Und gegen eine den Umgang verhindernde Mutter setzt es oftmals drakonische Strafen, bis hin zur Gefängnisaufenthalten.
Zum sarkastischen Lächeln bringt uns auch das Zitat von „Sebastian“: „Meine Frau hat leider einen neuen Partner gefunden, der ihr das alles finanziert. Hätten mir meine Eltern nicht geholfen, hätte ich vorher aufgeben müssen.“ Hier handelt es sich um einen äußerst seltenen Fall. In der Regel kann der vollzeitverdienende Vater sich wesentlich mehr Prozesse leisten als die Frau, die aufgrund ihrer Kinder – wie die deutliche Mehrheit aller Mütter in diesem Land – Teilzeit arbeitet und daher auf weniger Einkommen zugreifen kann. Viele Väter nutzen das unserer Beobachtung nach auch ganz gezielt, um ihre Ex-Partnerin in finanzielle Engpässe zu treiben. Dass auf jede Alleinerziehende Schlangen von finanzstarken Männern warten, die ritterlich ihre Geldbörse zücken, ist eine Vorstellung, die uns zwar gefällt, allerdings wohl nur sehr, sehr selten der Realität entspricht.
Auch die einzige zu Wort kommende Mutter aus der Selbsthilfegruppe stammt geradezu aus dem Promillebereich der Destatis Berichte zu „Staat & Gesellschaft“ (bitte lesen!). Sie will ihre Kinder ganz dringend alleinbetreut vom Vater wissen, um Karriere zu machen. Diese machen wir weiblichen Alleinerziehenden in aller Regel, obwohl wir fast ausschließlich für die Kinderbetreuung zuständig sind. Dies übrigens selten freiwillig. Sie selbst stellen in Ihrem Artikel „Papa will nicht wickeln“ vom 20. September 2016 klar, dass es Vätern auch heutzutage noch am erforderlichen Elan fehlt, sich für die Familie zu engagieren. Trotz dessen müssen wir Mütter erstaunt zusehen, wie die Rechte der Väter von der Rechtsprechung immer stärker ausgebaut werden – ohne, dass dies Hand in Hand mit Pflichten wie der Zahlung von Unterhalt oder der Kinderbetreuung geht. Denn eine Pflicht auf Umgang des Vaters mit seinen Kindern einzuklagen, ist zwar theoretisch möglich, faktisch aber vor Gericht kaum durchsetzbar.
Wissen Sie übrigens,
- dass Väterrechtsgruppen nach wissenschaftlichen Studien der Heinrich-Böll Stiftung den größten Unterstrang der Männerrechtsbewegung ausmachen und als solche eine Mischung von (Rechts-)Populismus, aus Nationalismus und Frauenfeindlichkeit, mit homophoben und rassistischen Einstellungen vertreten? Möchten Sie sich als Journalist wirklich vor diesen Karren spannen lassen?
- dass die Hälfte aller unterhaltspflichtigen Väter in Deutschland keinen Unterhalt zahlt, der hierzulande nach Studien ohnehin im internationalen Vergleich niedrig ist und das Prellen von Unterhalt kaum rechtliche Konsequenzen hat (unter anderem nachzulesen bei Verena Wirwohl)? Väter aber trotzdem oft keinerlei Skrupel haben, sich gerichtlich mit ihrer Ex-Frau auseinanderzusetzen, um beispielsweise das Wechselmodell einzuklagen, obwohl sie die Kinderbetreuung vor der Trennung gerne ihrer Frau überlassen haben? Und diese Art von Rosinenpickerei auch noch rechtlich geduldet und teilweise von Prozesskostenhilfe gefördert wird?
- dass erst dieses Jahr der Selbstbehalt in der Düsseldorfer Tabelle angestiegen ist und damit die Gruppe der Väter, die gar keinen Unterhalt zahlen muss, statistisch deutlich angewachsen ist?
- dass seit der Familienrechtsreform 2009 die allermeisten Frauen trotz Ex-Partner, der sich lediglich sporadisch um die gemeinsamen Kinder kümmert oder zu dem nie eine Beziehung bestanden hat, durch die unkomplizierte Beantragung des gemeinsamen Sorgerechts gehindert werden, aus beruflichen Gründen umzuziehen und damit unter Umständen in einer strukturschwachen Region festsitzen und auf die Willkür des Ex-Partners angewiesen sind?
- dass es immer noch zu den größten Armutsfallen gehört, Alleinerziehend zu sein? Auch, wenn es für die Damen in Ihrem Artikel geradezu Geld zu regnen scheint?
Wir würden uns sehr wünschen, dass Sie sich für den nächsten Artikel Ihre Informationen nicht nur in umstrittenen Männerrechtsverbünden holen, sondern auch mal in Gewaltschutzverbänden, Verbänden für Alleinerziehende oder Frauenhäusern vorbeischauen. Dort bekommen Sie sicher eine umfassende Sicht der Dinge von Müttern geschildert.
Mit herzlichen Grüßen
Ihre MIAs