Einmal eine Heldin sein

Werden Alleinerziehende zu Unrecht als Helden gefeiert? Ja, findet Susanne Gaschke von der „Welt“ in ihrem Artikel „Alleinerziehende dürfen wir nicht nur als Helden betrachten“ vom 6. August 2018. Da hat MIA ein Wörtchen mitzureden. Ein Kommentar von Pauline Piskač

Liebe Frau Gaschke,

Sie sind also der Meinung, dass Alleinerziehende nicht nur als Helden betrachtet werden sollten.

Aha.

Wenn ich darüber nachdenke, gibt es nicht unbedingt viele Momente, in denen ich ob meiner Leistung als alleinerziehende Mutter von vier kühnen Recken in einer samtbezogenen Sänfte zum Festplatz gekarrt wurde, um mich ausgiebig feiern zu lassen. Das wäre aber durchaus eine Idee für einen neuen Festtag, wenn Sie mich fragen: „Single-Mom – hero for a day“.

Nun aber Spaß beiseite. Es ist löblich, dass Sie – was mehr als nötig ist – die Debatte um die Unterstützung der Alleinerziehenden, von denen ganze 90 Prozent Frauen sind, wie Sie richtig feststellen, als Aufhänger Ihres Artikels nehmen.

Die Umstände, unter denen vor allem Frauen in Deutschland alleine Kinder erziehen, sind fatal und gehören in ihrer Härte und Klarheit immer wieder ins Gedächtnis gerufen, solange sich nichts daran ändert: Eine gut bezahlte Anstellung in Teilzeit – nicht jede bekommt einen Kitaplatz bis 18 Uhr oder länger  – , familienfreundlicher Umgang, Verständnis für die besonderen Anforderungen einer alleinerziehenden Mutter und gar eine erweiterte Unterstützung für Einelternfamilien über die gesetzlich geregelte Betreuung hinaus sind nach wie vor sehr rare bis nicht vorhandene Güter in unserer Gesellschaft. Ganz zu schweigen von der bevorstehenden Altersarmut: Wer sich 20 Jahre in Teilzeit abrackert und „nebenbei“ noch den Job als Mutter stemmt, bekommt im Schnitt 220 bis 270 Euro Rente im Monat .

Von Heldenfeierei als „üblichen Alleinerziehendendiskurs“ kann demnach keine Rede sein. Eigentlich ist diese Grundproblematik wichtig genug, um ihr einen ganzen Artikel zu widmen. Sie ziehen es stattdessen vor, Kritik an der zurückliegenden Trennung der Eltern zu üben.

Der Drops ist gelutscht

Nur um das nochmal klarzustellen: Erstens ist der Drops gelutscht.
Ja, Trennungen sind eine Katastrophe. Ich wage aber zu behaupten, dass die wenigsten Alleinerziehenden diese Katastrophe gewollt und nichts für ein mögliches Weiterbestehen einer Art von Beziehung – wenn nicht als Paar, dann als Eltern – getan hätten.

Zweitens verwundert mich Ihre Ansicht, „dass erwachsene Menschen, Männer und Frauen, sich einmal frei füreinander, für Kinder und für Verantwortung entschieden hatten – und Letztere dann aus besseren oder schlechteren Gründen über Bord werfen.“

Sie scheinen davon auszugehen, dass ein Kind immer in einer festen, glücklichen Beziehung entsteht. Dem ist nicht so. Ein Kind entsteht aus tausend unterschiedlichen Gründen und es erfordert auch im Jahr 2018 immernoch sehr viel Mut, trotz fehlender Partnerschaft und dem Wissen um den schlechten Stand als Alleinerziehende ja zu einem Kind zu sagen.

Es macht mich wütend, dass wir als scheinbar aufgeklärte Generation im Jahr 2018 immer noch an alt hergebrachten Gesellschaftsmodellen festhalten. Es ist nichts Neues, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der eben nicht mehr nur ein Familienmodell existiert und in der eine gewisse Portion Egoismus und Selbstverwirklichung einen viel bedeutenderen Stellenwert eingenommen haben als noch vor 30 Jahren.

Und ich bin froh darüber. Nein, ich möchte nicht mit einem Mann in einem Haus in getrennten Schlafzimmern leben und mich nur deshalb nicht trennen, weil ich allein den Kredit nicht zahlen kann.

Es ist – entgegen Ihrer Ansicht – durchaus eine Leistung, sich zu trennen.

Gerade, wenn die Konflikte zwischen den Eltern für die Kinder so unerträglich werden, dass ein geborgenes und liebevolles Aufwachsen  nicht mehr möglich ist.

Ich kenne niemanden, der krampfhaft an der Idee einer perfekten Beziehung festhält. Desweiteren war die Akzeptanz eines sich Zufriedengebens mit dem „Normalmaß“ – wie Sie es fordern ohne es genauer zu definieren – mit Sicherheit bei vielen gescheiterten Beziehungen bereits ein Wunschtraum. Sie versuchen, auf sehr simplem Weg –  „gelegentlich großzügig zu sein, zu verzeihen oder auch mal absichtsvoll in die andere Richtung zu schauen“ –  Beziehungsratschläge zu erteilen, ohne über den Tellerrand hinaus zu schauen.

Ihre Vorstellungen von funktionierenden Beziehungen erscheinen mir überholt. Sie ignorieren jedwede andere Form des Zusammenlebens und sie ignorieren vor allem den Umstand, dass nach wie vor wenige Männer die Verantwortung der Kindererziehung gleichberechtigt übernehmen wollen. Väter sind am zufriedensten, wenn sie Vollzeit oder länger arbeiten und sich weniger der Kindesversorgung widmen, besagt die Auswertung eines langjährig durchgeführten sozio-ökonomischen Panels durch den Arbeitssoziologen Martin Schröder.

Im Übrigen, auch das kann man nicht oft genug sagen, wird das männliche Entziehen bei der Kinderbetreuung gesellschaftlich immernoch toleriert. Denken Sie einmal umgekehrt – eine Frau lässt ihr Kind zurück – Wie wäre da die Reaktion?

Sie mokieren sich über unfähige Eltern, die nicht in der Lage sind, ihre kleinen Problemchen zu klären und zusammen ein oder mehrere Kinder zu erziehen. Es ist in den seltensten Fällen ein ausgeglichens „Zusammen“ beider Elternteile bei der Erziehung der Kinder, ob nun getrennt lebend oder in Beziehung.

Dass es Elternteile gibt, die sich überhaupt nicht für ihre Kinder interessieren, wird von Ihnen gar nicht berücksichtigt. Es ist das altruistische Modell der Vater-Mutter-Kind-Konstellation, das Sie entstauben wollen mit dem Ziel, Alleinerziehenden einen Heldenstatus abzusprechen, den diese nie hatten.

Sie liegen richtig mit Ihrer Meinung, dass die Kinder jede Unterstützung der Gesellschaft benötigen. Allerdings beziehen Sie die Kinder erst am Ende ihrer Anschauung, vermutlich aus Unwissen, mit ein, indem Sie „wenigstens einen Teil des heroischen Diskurses auf sie umlenken“ wollen.

Liebe Frau Gaschke, mir ist keine Mutter bekannt, die aus heroischem Selbstzweck alleinerziehend ist. Im mütterlichen Diskurs machen die Kinder nicht „wenigstens einen Teil“, sondern alles aus, weshalb eine Trennung für viele die einzig richtige Entscheidung bezüglich des Kindeswohles darstellt.

Wenn Sie die Wichtigkeit dieses Kindeswohles ernstnehmen, sollten Sie dann nicht lieber hinterfragen, was das Verharren in toxischen Beziehungen für Schäden bei den Kindern anrichtet? Und – darüber hinaus – wie die scheinbar so beziehungsunfähigen, alleinerziehenden Elternteile nun trotzdem unterstützt werden sollten, gerade um den Kindern ein glückliches Aufwachsen zu ermöglichen? Anstatt dem unsicheren Schwebezustand, indem sich Alleinerziehende im Jahr 2018 immer noch befinden, eine zukunftsweisende Richtung zu geben, verharren Sie im Vergangenen und helfen dort weder Eltern noch Kindern.

Einen Seitenhieb wie den Ihren braucht es nicht. Mehr Anerkennung für die Leistung von Alleinerziehenden und vor allem eine konkrete Verbesserung ihrer ökonomischen und sozialen Stellung dagegen sehr dringend.

Hierbei wäre es übrigens durchaus nicht hinderlich, sich selbst als Heldin zu sehen – und auch als solche wahrgenommen zu werden.

 

photo credit: Denise Husted / ISO republic

3 thoughts on “Einmal eine Heldin sein

  1. Ich habe denn Artikel gelesen und mich wahnsinnig aufgeregt. So ein unnötiges Zeug… Und vorallem ohne jegliche eigene Erfahrung. Ich bin in so einer“wir bleiben für die Kinder zusammen “ Familie aufgewachsen. Es war grauenvoll. Keine vorgelebte Liebe, Zweisamkeit, Vertrauen ect. Mal abgesehen von dem Krieg der herrschte zwischen meinen Eltern. So etwas macht kinderseelen kaputt. Und heutzutage bin ich alleinerziehende Mama. Lieber so und mit viel Liebe und herzenswärme für mein Kind als anderst. Ich kenne keine Mutter die sich wegen Kleinigkeiten getrennt hätte. Im Gegenteil, meist wird so lange gezögert wie es nur geht und meistens erst der Schlussstrich gezogen wenn die Kinder schon gelitten haben und Harmonie schon lange vorher ausgezogen ist..
    Manch einer sollte vielleicht selber erst mal versuchen sich in etwas hineinversetzen anstatt am Büro Stuhl möchtegern Artikel zu schreiben

  2. In den meisten Fällen werden Alleinerziehende, die durch den Tod des Partners oder der Partnerin in den Status kommen, völlig vergessen. Ich kenne zwei solcher Fälle. Wieviele wird es wohl geben? Gibt es eine Studie darüber? Täte mich wirklich interessieren. Das sollte man dieser Unperson jedenfalls auch mal unverhohlen als allererstes unter die hochgestreckte Nase reiben. Lieben Gruß Wendula Strube

  3. Wow, eine tolle Antwort auf einen unmöglichen Artikel! Vielen Dank! Die leider gängigen Klischees (nicht genug angestrengt, Trennung aus Faulheit, etc.) werden zielsicher als solche entlarvt und die Kurzsichtigkeit und auch verachtende Haltung dieser verstaubten Sichtweise aufgedeckt.

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